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Cicero Marcus Tullius
(Rom, 106-43 v. Chr.)

foto umberto eco

Es ist nicht nur ein der lexikografischen Ordnung zu verdankender Zufall, dass sich Cicero neben Francis Bacon findet. Denn auch, wenn dieser räumliche Kontext zerstört wird, gibt es viele gute Gründe die Beiden zusammen zu sehen.

Cicero genießt die Reputation Roms größter Rhetor gewesen zu sein und man mag ihn, wie er selbst andeutet indem er einige seiner berühmtesten Reden gegen Mark Anton als "Philippika" bezeichnet, mit Demosthenes, dem vermutlich wortgewaltigsten Rhetor Athens vergleichen. Ob Bacons Kunst jener gleichzustellen ist, mag ich nicht beurteilen, aber wie bereits angedeutet, erachte ich diesen gleichfalls als einen großen Rhetoriker. Wäre dies allerdings alles, so würde ich diesen Vergleich nicht anstreben.

Cicero stand wie Bacon am Beginn eines neuen Zeitalters, das einen gewaltigen politischen Umsturz bedeutete, nämlich den Übergang zur autokratisch despotischen, bzw. absolutistischen Herrschaft.

Beide sind soziale Aufsteiger, die es zu den höchsten Ämtern ihrer jeweiligen Staaten schafften. Cicero wurde, nachdem er verschiedene andere Ämter durchlaufen hat, Konsul, Bacon Lordkanzler. Beide schafften diese Karriere aufgrund ihrer höchst erfolgreichen Anwaltstätigkeiten und ihrer geschliffenen Redekunst. Bacon endete, aufgrund von Korruption verurteilt und seiner Ämter und Privilegien beraubt, als Privatmann, Cicero wurde ermordet, sein Leichnam durch Rom geschliffen, enthauptet und der Kopf zusammen mit seinen abgehakten Händen am Rostrum, dem Rednerpult am Forum, schmählich festgenagelt.

Hier enden allerdings die Ähnlichkeiten, auch wenn der berühmte Historiker Theodor Mommsen Cicero als "Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht" ähnlich wie Albert Schweitzer Bacon, disqualifiziert. Anzumerken wäre vielleicht, dass Mommsen ein begeisterter Verehrer Cäsars und des Cäsarismus war.

Der auffallendste Unterschied zwischen Beiden, der auch Mommsens Sicht erklärt, besteht darin, dass sich Cicero gegen Machthaber und  Anwärter darauf stellte, sei es Gaius Julius Cäsar oder Marcus Antonius, Bacon sich hingegen im eigenen Interesse zu deren willigen Lakaien macht. Cicero bezahlt für diese Einstellung nicht nur mit seinem Tod, sondern auch bereits davor mit Verbannung, eine Gefahr, die er wissentlich auf sich nahm.

Dazu passend vertritt Cicero ein umfassendes Programm allgemeiner Bildung in der Tradition Athens, Bacon eines der permanenten Geheimhaltung und Überwachung. Cicero verliert sein gesamtes Vermögen durch Enteignung, Bacon lebt auf Pump. Cicero betrachtet Rhetorik in Kombination mit Philosophie als ein notwendiges Instrument eines republikanischen Staatswesens, Bacon benutzt sie gekonnt und desavouriert sie zugleich.

Zwar waren beide selbstgefällig und in einer gewissen Weise eitel, doch Cicero sieht seinen Lebensinhalt nicht in der Bereicherung mit materiellen Gütern, sondern in einer philosophischen Lebensweise, Bacon propagiert materielle Bereicherung in jeder Hinsicht und benutzt selbst jede sich bietende Gelegenheit um diese Maxime umzusetzen. Cicero verabscheut Kriege um der Bereicherung willen, die Ausbeutung von Sklaven und den Einsatz von Gewalt um bestimmte Ziele zu erreichen. Bacon scheut vor Folter nicht zurück und propagiert sie als Mittel des Erkenntnisgewinns. Als Anhänger der Stoa und Epikurs vertritt Marcus Tullius eine skeptische Position in der Überzeugung, dass es kein sicheres Wissen geben kann. Bacon behauptet hingegen mit seinem "Novum Organon" und dem "Advancement of Learning" den Stein der Weisen in Händen zu halten. Cicero kämpft dafür, dass Gesetze und Pakte einzuhalten sind, Bacon beugt sie nach allen Regeln der Eristik, um auch noch nach seiner Verurteilung wegen Korruption zu behaupten, nie ein Gesetz verletzt zu haben.

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© KS | Letzter update 12 Oktober 2017
Zitat: Scientia et potentia in idem coincidunt Scientia et sapientia numquam coincidunt